Marc Conrad im Interview mit dem KSTA
Produzent Marc Conrad spricht im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über Kürzungen bei der Filmförderung, Köln als Medienstadt und darüber, warum die Stadt ihr Potential als Kinostadt nicht optimal nutzt.
Köln. Herr Conrad, Sie haben gerade mit „Macho Man“ und „Halbe Brüder“ zwei Kinofilme in Köln gedreht. Die Stadt wird aber eigentlich immer nur als Fernsehhauptstadt wahrgenommen. Wie erklären Sie sich das?
Die Kölner verkaufen sich, was Kinofilme angeht, unter ihrem Niveau, im Vergleich zu Berlin oder München. Hier wird viel produziert. Aber zum Beispiel für „Rush“, der mit Weltstars wie Chris Hemsworth und Daniel Brühl in der Stadt gedreht wurde, hat sich niemand in Köln interessiert. Es gibt von der Deutschen Filmakademie seit ein paar Monaten einen Kölner Stammtisch und da ist das regelmäßig Thema: Warum wird Film stiefmütterlich behandelt in Köln? Dabei ist es gerade in Zeiten der Etat-Kürzungen, die jetzt im Raum stehen, wichtig, Stärke zu zeigen und unseren Politikern den Rücken zu stärken. Die Münchner Produzenten stecken die Schauspielerinnen sofort in ein Dirndl und machen Fotos mit Seehofer.
Warum sieht sich denn Köln eher als Fernsehstadt und setzt nicht auf die Kinokarte?
Das ist nicht leicht zu beantworten. In erster Linie wegen der medialen und wirtschaftlichen Dominanz der vor Ort ansässigen Sender, die Tausende von Mitarbeitern beschäftigen. Viele internationale Schauspieler aber drehen gerne hier. Weltstars sagen: Wenn man in Köln ist, wird man nicht belästigt. Michael Fassbender wohnt drei Monate am Brüsseler Platz und das interessiert niemand. Das ist der besondere Charme der Kölner, dass sie halt nicht jedem hinterherlaufen. Aber in der öffentlichen Wahrnehmung, sei es Politik, Wirtschaft, IHK da läuft das Kinogeschäft mit seinen Millionenumsätzen weiterhin unter dem Radar.
Köln verkauft sich als Film- und Fernsehstadt also nicht gut genug?
In Köln wird viel von Fernsehen geredet. Aber die Stadt ist auch, was Verlage, Internet und neue Medien angeht, die heimliche Hauptstadt Deutschlands! Da hat Köln Berlin und München hinter sich gelassen. Doch bei neuen Medien ist die Zielgruppe sehr jung. Die bekannten Facebook-Stars und Youtuber kommen alle aus NRW. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die darf man nicht unterschätzen. Da muss die Stadt und Region weiterhin Farbe bekennen, weil es um die Weichenstellung für die Zukunft geht.
Sie sprechen die geplanten Einsparungen bei der Film- und Medienstiftung NRW an. Wie beurteilen Sie diese?
Beurteilen steht mir nicht zu. Die Außenwirkung ist wie bei jeder Kürzung fatal, egal in welchem Wirtschaftsbereich. Es passiert viel, es werden Firmen gegründet. Es kommt in einer Zeit des Aufschwungs, wo RTL erklärt, dass sie vermehrt auf deutsche Kinofilme setzen, weil nicht genug Nachschub aus Hollywood kommt. Da wirken diese Kürzungen, sei es auf Bundesebene oder in NRW, bei allem politischen Verständnis für die notleidenden Haushalte in der Politik und den Anstalten wie eine Bremse. Trotz allem hat NRW immer noch mit Abstand die finanziell stärkste Filmförderung in Deutschland und unterstützt erfolgreich Produzenten auch aus anderen Bundesländern und dem Ausland. Die Frage muss gestellt werden: Wo soll das Land in zehn Jahren sein? Und daraus ergeben sich die Weichenstellungen von heute. Da ist vieles im Umbruch, und leicht ist es für niemanden.
Wie wichtig ist die Filmförderung für Produzenten?
Wichtig ist untertrieben. Ohne die Filmförderung ist es unmöglich, Kinofilme zu produzieren. In der Regel kosten deutsche Filme zwischen vier und fünf Millionen Euro. Die Kosten sind aufgrund deutscher Spezifika hoch, und die Möglichkeiten, sich das Geld im Ausland zurückzuholen, sind aufgrund der Sprache nicht gegeben wie bei englischsprachigen Filmen. Ohne Förderungen also keine Filme. Was man dabei nicht vergessen darf ist, dass die Fördersumme nicht als Zuschuss gewährt wird. Das heißt: Ist ein Spielfilm erfolgreich, werden die Fördergelder zurückgezahlt. Zudem werden nur Fördergelder gewährt, wenn mindestens das Anderthalbfache an Ausgaben in NRW getätigt werden. Der sogenannte Regionaleffekt, der durch die Filmproduktion generiert wird, kommt somit direkt dem Wirtschaftsstandort NRW zugute.
Foto: dpa/dpaweb
Ein großes Thema zurzeit ist der Serien-Boom. Sie mussten selbst die Erfahrung machen, dass es sehr schwer ist, erfolgreiche deutsche Serien zu etablieren. Warum können Deutsche da mit Amerikanern nicht mithalten?
Das sind zunächst wirtschaftliche Gründe. Das hat mit den Entwicklungszeiten zu tun, die man den Autoren für die Bücher gibt. Das ist mit Amerika nicht zu vergleichen, da werden andere Summen gezahlt, da arbeiten größere Teams dran. Hier wird das für den Bruchteil des Geldes geschrieben. Das ist so, als wolle man mit den Kosten, die man für einen Ford Ka ausgibt, einen Formel-1-Wagen zusammenschrauben. Das geht einfach nicht. Amerikaner haben ein anderes Geschäftsmodell, allerdings agieren die auch weltweit.
Aber in Skandinavien geht es doch auch.
Das ist ein zweiter Grund: Die Stoffe, die die Kollegen produzieren, haben einen lokalen Touch. Das war immer schon ein Paradox: Wenn Serien in einem genau einzugrenzenden Bereich spielen, mit einem Land identifiziert werden, dann kann das ein internationaler Erfolg werden. Kleinere Länder haben oftmals eine Community, die auch auf ihre Errungenschaften stolz ist. Da ist es einfacher solchen lokalen Content herzustellen als in dem großen föderalen Deutschland. Das ist der Grund, warum wir „Macho Man“ und „Halbe Brüder“ in Köln gedreht haben. Wir wollten das hier erzählen. Wir haben großen Wert darauf gelegt, Köln als Stadt zu erzählen. Und es gilt die bewährte RTL-Regel: Wenn man es in NRW schafft, die Nummer eins zu sein, dann ist man in ganz Deutschland die Nummer eins.
Lässt man Serien bei uns zu wenig Zeit?
Das ist der dritte und ausschlaggebende Grund: Es fehlen kontinuierliche Sendeplätze in den Programmstrukturen. Fernsehen ist ein Gewohnheitsmedium. Bei allen Sendern ist der wirtschaftliche Druck viel größer geworden, früher waren die Staffeln viel länger, und die Zeit war da, eine Serie zu etablieren, weil man halt woanders genug verdient hat. Wenn man nur vier oder fünf Episoden hat, um sich zu beweisen, dann hat das mit der Qualität der Serie nichts zu tun, die Leute finden sie einfach nicht im Programm wieder. Es war früher mehr Geld da, und damit konnte die Risikobereitschaft bezahlt werden. Die Ungeduld der Manager mit ihren kreativen Programmmachern nimmt weiter zu. Dieser Druck wird weitergegeben an die Regisseure, Autoren, Produzenten, Schauspieler, bis in die kleinsten Stellwerke eines Filmteams.
Das Gespräch führte Anne Burgmer
Zur Person
Marc Conrad (54) stammt aus Luxemburg. Der Ex-RTL-Chef und Fernsehproduzent leitet heute die Produktionsfirma ConradFilm. Die zuvor von Conrad geführte Firma Typhoon AG („Im Angesicht des Verbrechens“) meldete im März 2009 Insolvenz an. Seine Firma drehte gerade in Köln und Umgebung die beiden Kinofilme „Macho Man“ (im Herbst 2015 in den Kinos) und „Halbe Brüder“ (Start voraussichtlich am 19. März).